Kiron Open Higher Education gGmbH, Berlin - Kategorie Sonderpreis 2016 Aktion statt Depression

Bei Kiron können Flüchtlinge direkt nach ihrer Ankunft online studieren, statt jahrelang tatenlos auf Genehmigungen und Bescheide der Behörden zu warten. Die Expertenjury war begeistert von diesem innovativen Ansatz zur Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt und zeichnete die Berliner mit dem Sonderpreis des Deutschen Gründerpreises 2016 aus. 


Wer als Flüchtling in Deutschland ankommt, tut jahrelang nur eines: Warten. „Im Normalfall dauert es drei bis vier Jahre, bis alle Dokumente vorliegen und ein Geflüchteter ein Hochschulstudium beginnen kann“, sagt Kiron-Gründer Markus Kreßler. Bei der Betreuung von Flüchtlingen hatte der 26-jährige Psychologe immer wieder gesehen, wie intelligente, hochmotivierte Menschen durch Nichtstun in Depressionen versanken. „Die Leute wollen sich nicht mit ihrer traumatischen Vergangenheit beschäftigen, sondern eine Perspektive für die Zukunft.“ Ähnliches hatte auch Volkswirt Vincent Zimmer (26) bei einem Forschungsaufenthalt in der Türkei erlebt. Auf einer Veranstaltung im Herbst 2014 tauschten sich die beiden aus. Warum nicht schon mit dem Lernen beginnen, während man auf die Genehmigungen wartet? „Wir wussten, das ist es.“ Dazu nutzt Kiron ECTS-zertifizierte, frei zugängliche Online-Kurse renommierter amerikanischer Universitäten wie Harvard oder dem MIT. Und weil die dabei erbrachten Studienleistungen anerkannt werden, kann der Student anschließend direkt in ein höheres Semester an einer Kiron-Partnerhochschule wechseln. „So verlieren die Menschen keine Zeit, während sie die deutsche Sprache lernen und sich die Dokumente für die reguläre Hochschulzulassung besorgen.“ 

„Die Menschen brauchen eine Perspektive für die Zukunft!“ Markus Kreßler

Inzwischen studieren bei Kiron mehr als 1.250 Flüchtlinge in vier Fachbereichen, die meisten sind junge Männer Mitte 20. „Es ist ein tolles Gefühl, wirklich etwas zu bewirken und den Menschen wieder Hoffnung zu geben.“ Auf ihrem Weg hätten die Gründer selbst die Hoffnung jedoch fast verloren. Inzwischen war IT-Spezialist Christoph Staudt mit eingestiegen, alle drei Gründer lebten von Ersparnissen, suchten Geldgeber. „Die Idee fanden alle gut, aber erst mal wollte niemand Projekte finanzieren.“ Auch die Verhandlungen über die Anerkennung der Kurse waren schwierig. „Wir wussten, dass es möglich war, doch es ging nicht voran.“ Nach einem Jahr mit 100-Stunden-Wochen waren Geldmittel und Gründer gleichermaßen erschöpft, das Trio dachte ans Aufgeben. Letzter Versuch: Crowdfunding. „Wir wollten noch ein Mal richtig Gas geben.“ Das Ergebnis: Die erfolgreichste Schwarmfinanzierung Europas spielte mehr als 500.000 Euro ein. Über 300 Medienberichte erschienen, Unternehmen finanzierten Stipendien und Praktika, Universitäten boten sich als Kooperationspartner an, Stiftungen starteten Projekte mit Kiron. „Es war ein unglaublicher Push, auch, weil ab Sommer 2015 so viele Geflüchtete nach Deutschland kamen.“ Die Gründer konnten die ersten der momentan 30 Mitarbeiter einstellen. Der Aufbau von Kiron wird außerdem von rund 300 Ehrenamtlichen weltweit tatkräftig unterstützt. Sie betreuen die Studenten vor Ort, helfen bei Problemen, vermitteln Praktika. „Genauso wichtig wie das Lernen sind die Kontakte, die man während des Studiums knüpft.“ 

Die Firma
Kiron Open Higher Education gGmbH
Die Gründer Markus Kreßler, Christoph Staudt, Vincent Zimmer
Gründungsjahr 2015

Aktuell hat Kiron 18 Partneruniversitäten im In- und Ausland, mit weiteren Kooperationspartnern laufen Verhandlungen. Langfristig sollen die mit je rund 3.000 Euro sehr preiswerten Bachelor-Programme nicht mehr durch Spenden, sondern über ein Fondsmodell von Unternehmen finanziert werden. „Wir wollen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Geflüchteten bessere Zugangschancen zum Bildungssystem zu ermöglichen“, sagt Markus Kreßler. Für dieses weltweit einzigartige Bildungsmodell zur Lösung eines drängenden gesellschaftlichen Problems wird Kiron mit dem Sonderpreis des Deutschen Gründerpreises 2016 geehrt. „Das ist ein unheimlich wichtiger Vertrauensbeweis für Kiron“, finden die drei Gründer. „Wir wünschen uns neue Kontakte zu den spannenden Unternehmen im großen Gründerpreis-Netzwerk und tolle Praktikumsangebote für unsere Studierenden.“