Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun - Kategorie 2010 Lebenswerk Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun

Wo andere Kosten sehen, sieht Ludwig Georg Braun Effizienzgewinne, wo andere Bedrohungen sehen, sieht er Chancen. „Wir haben als Unternehmer die Verantwortung, gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren und Neues konsequent anzunehmen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der auf Pharma- und Medizinprodukte spezialisierten B. Braun Melsungen AG.


Schon früh zeigte sich seine Fähigkeit, schneller als andere auf technische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren: Während Europaskeptiker Anfang der 1970er Jahre nach nationalen Regelungen zum Schutz vor ausländischen Anbietern riefen, nutzte er die Vorteile des Europäischen Einigungsprozesses. „Wir haben immer gesagt: Europa ist unser Heimatmarkt.“ Auf die erstarkenden japanischen Anbieter regierte das Unternehmen mit asiatischen Niederlassungen „aber nicht als Werkbank, sondern als Keimzellen zur Erschließung der Märkte.“ Auch danach trieb Braun die Internationalisierung konsequent voran. „Wir haben in einigen Jahren vier, fünf Tochtergesellschaften gegründet.“ So formte er die 3000-Mann-Firma zu einem global aufgestellten Unternehmen, das mit über 50 ausländischen Standorten und mehr als 40.000 Mitarbeitern zu den Besten der Welt gehört. Seinen Erfolg verdankt B. Braun ständigen Produktinnovationen, am bekanntesten sind die „Braunüle“, eine einteilige Plastikkanüle und die Infusionslösung Sterofundin. Der Einsatz hochmoderner IT ist für den Vorstandsvorsitzenden eine Selbstverständlichkeit. 2005 eröffnete mit L.I.F.E. eine der modernsten vollautomatisierten Fertigungen von Infusionslösungen weltweit. In Tuttlingen stellt man mit neuester Technik Hüft- und Knieendoprothesen her, der Kundenservice nutzt alle Mittel der elektronischen Kommunikation. „Es geht nicht darum, die neuen technischen Möglichkeiten parallel zu den alten einzusetzen, sondern ihren Einfluss auf die Prozesse zu reflektieren“, sagt Ludwig Georg Braun. Ein innovatives, mehrfach ausgezeichnetes Bürokonzept ist seine Antwort auf die flexiblen Arbeitsstrukturen der mobilen Gesellschaft: Feste Arbeitsplätze gibt es nicht mehr. Jeder, auch Braun selbst, sucht sich mit Laptop, Aktencaddy und Handy einen freien Schreibtisch. „Der Chef muss solche Neuerungen mittragen, sonst funktioniert es nicht.“

Ganz bewusst ist die B. Braun Melsungen AG nicht an der Börse notiert. So kann der Vorstand es sich leisten, das Unternehmen langfristig zu entwickeln, statt sich von den Quartalsvorgaben der Aktionäre antreiben zu lassen. „Unser Hauptziel ist immer die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben oft gegen den Zeitgeist gehandelt und hatten den Mut, auch unpopulärere Entscheidungen zu treffen“, erklärt Ludwig Georg Braun. So wurde intensiv über den kürzlich verlängerten „Standortsicherungsvertrag“ diskutiert, in dem die Mitarbeiter durch Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zur Sicherung des Heimatstandorts Melsungen beitragen. Allgemeine Zustimmung findet jedoch die Familienpolitik des Unternehmens: Flexible Arbeitszeiten, über 200 verschiedene Teilzeitmodelle und zahlreiche Angebote, die Karriere trotz familiärer Verpflichtungen möglich machen. „Immer mehr Hochschulabsolventen sind Frauen. Wir müssen als Unternehmen attraktiv bleiben“, sagt der Firmenchef dazu. Dem kommenden demographischen Wandel begegnet er schon jetzt durch intensive Aus- und Weiterbildung, auch und gerade der älteren Arbeitnehmer. „Natürlich muss der Mitarbeiter die Bereitschaft zum Lernen mitbringen.“ Ludwig Georg Braun führt das 1839 gegründete Familienunternehmen in der fünften Generation. „Ich hatte sehr früh eine enge Bindung an das Unternehmen.“ Das Hauptinteresse des kleinen Ludwig Georg galt allerdings zunächst ganz anderen Dingen: „Schon als Kind habe ich begeistert Briefmarken gesammelt und deshalb immer gerne beim Öffnen der Geschäftspost geholfen. Später habe ich mich dann zunehmend für den Inhalt der Briefe interessiert“, erzählt der 66-Jährige. Als die Berufswahl nahte, „haben meine Eltern entschieden, dass ich der Nachfolger werden soll und ich war bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.“ Systematisch wurde der damals 19-Jährige auf seine Rolle vorbereitet: Nach einer Bankausbildung arbeitete er in Brasilien und den USA, bevor er 1972 mit 29 Jahren in das elterliche Unternehmen eintrat. „Ich habe ganz bewusst nicht studiert, sondern in der Praxis gelernt, welche Fehler die Wettbewerber machen und was erfolgreich sein kann. Das war keine bloße Theorie, sondern gelebte Erfahrung. Dadurch hat man natürlich eine andere Sicherheit in seinen Entscheidungen.“ Der Erfolg zeigt, dass Braun dabei meist richtig lag, doch welche seiner Entscheidungen war die beste? Er antwortet wie aus der Pistole geschossen: „Meine Frau zu heiraten.“ Fünf Kinder hat das Paar, das seit 35 Jahren glücklich ist. Die Familie liegt dem aktiven Christen besonders am Herzen: Er engagiert sich für benachteiligte Kinder, unterstützt zahlreiche soziale Einrichtungen und fördert außerdem Künstler sowie Existenzgründer. Zudem war der begeisterte Marathonläufer in der Kommunalpolitik aktiv und acht Jahre lang Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Für seine Lebensleistung hat Ludwig Georg Braun viele Ehrungen und Auszeichnungen erhalten. Die Verleihung des Deutschen Gründerpreises freut ihn ganz besonders. „Der Deutsche Gründerpreis zeigt beispielhaft, dass es sich lohnt, in Deutschland Unternehmer zu werden. Mit der Auszeichnung in der Kategorie Lebenswerk findet es Anerkennung, wenn man nicht nur kurzfristige Gewinnmaximierung betreibt, sondern ein Familienunternehmen nachhaltig führt.“

Die Firma
B. Braun Melsungen AG

Die Jury des Deutschen Gründerpreises ehrt Ludwig Georg Braun „für seine herausragende unternehmerische Leistung: Durch konsequente Internationalisierung und ständige Innovationen entwickelte er das deutsche Familienunternehmen B. Braun Melsungen, das im Jahre 1839 aus der Melsunger Rosenapotheke hervorging, zu einem internationalen Marktführer im Bereich Pharma und Medizintechnik. Braun schuf eine Unternehmenskultur, in der Kommunikation im Mittelpunkt steht und ein modernes, innovatives Bürokonzept Anwendung findet. Die Ausbildungskultur des Unternehmens ist vorbildlich. Der mit vielen Ehrungen und Auszeichnungen bedachte Unternehmer verband zwei anspruchsvolle berufliche Rollen erfolgreich miteinander: Mit vollem Einsatz ist er erfolgreicher Unternehmenslenker. Mit dem gleichen Engagement war er langjährig Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und stets ein geschätzter Ansprechpartner für Wirtschaft und Politik. Braun engagiert sich in der Förderung von Existenzgründern und als Kunstmäzen.“