Dr. Andreas Heinecke - Kategorie Sonderpreis 2011 Ein Schritt ins Unbekannte

„Blinde Menschen können all das machen, was wir Sehenden können“, stellte Dr. Andreas Heinecke 1988 fest, als er Blinde zu Hörfunk-Dokumentaren ausbilden sollte. Dass nur 15 Prozent dieser arbeitsfähigen Menschen beschäftigt sind, wollte er nicht hinnehmen. Das war die Geburtsstunde von Dialog im Dunkeln, der Keimzelle der Dialogue Social Enterprise GmbH (DSE).


Massives Unverständnis über die Ausgrenzung von blinden Menschen brachte Heinecke auf seine Idee. „Ich wollte Sehende und Blinde zusammenbringen. Da ich keinen Zoo gründen wollte, machte ich einfach das Licht aus. Diese Vertauschung von Rollen ist des Schlüsselelement des Erfolgs von „Dialog im Dunkeln“, beschreibt Heinecke seinen Einstieg ins Unternehmertum. Der erste Schritt ins Unbekannte war 1990 eine Ausstellung, in der es buchstäblich nichts zu sehen gab. Besucher wurden mit einem Blindenstock ausgerüstet von blinden Menschen durch die Finsternis geführt. Der endgültige Durchbruch war die im April 2000 eröffnete Dauerausstellung „Dialog im Dunkeln“ in Hamburg. Heinecke gründete das Unternehmen Dialogue Social Enterprise, um weltweit agieren zu können. „Wir haben ein Beratungspaket für Franchise-Nehmer aufgebaut und schicken unsere Leute hinaus, um vor Ort die Menschen auszubilden oder die Qualitätskontrolle zu übernehmen. Zur Zeit laufen 17 Ausstellungen, bis Ende 2012 sollen es doppelt so viele sein.“ Das Unternehmen zählt bis zu 600.000 Besucher pro Jahr, bis zum Jahresende hofft der Unternehmer auf eine Million Besucher. Es gab keinen Markt dafür, blinde und gehörlose Menschen im Dunkeln oder im Stillen einzusetzen. „Ich habe diese Nische entdeckt und daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Und dass es Dialog im Dunkeln nach 23 Jahren immer noch gibt, ist unser größter Geschäftserfolg“, sagt Heinecke. Doch der Anfang war schwer. „Wer sollte mir Geld geben für ein Kilo Dunkel, um blinde Menschen zu beschäftigen?“, beschreibt Heinecke die Skepsis von Banken und öffentlichen Förderstellen. Um sein Geschäftskonzept umzusetzen, suchte er sich deshalb private Unterstützer. Für ein Versicherungsunternehmen habe man ein langfristiges Programm für den Führungsnachwuchs entwickelt. In der Universität Singapur ist „Dialogue in the Dark“ Teil der akademischen Ausbildung, das Unternehmen wird hier von Studenten geführt. Heinecke selbst gibt seine Erfahrungen als Honorarprofessor an der EBS Business School, Wiesbaden, an künftige Unternehmer weiter.

„Ich wollte Sehende und Blinde zusammenbringen. Da ich keinen Zoo gründen wollte, machte ich einfach das Licht aus.“

Für Heinecke besteht der Markenkern des Unternehmens aus drei Elementen: Die Idee lässt sich ohne Bedeutungsverlust in jede Sprache übersetzen, das Unternehmen könne auf der ganzen Welt behinderte Talente identifizieren und einbinden. Schließlich sei das Produkt flexibel anpassbar, so habe man problemlos eine Reihe von Leadership-Programmen entwickeln können. Durch die Projekte von Dialog im Dunkeln werde effektives Verhalten im Geschäftsleben gefördert und die Wahrnehmung gegenüber der Verschiedenheit der Menschheit gesteigert. Dass das Potenzial der Idee noch nicht ausgereizt ist, beweist Heinecke und baut gerade ein neues Produkt auf: den Dialog der Generationen. Dieser Bereich beschäftigt nur Menschen, die über 80 Jahre alt sind. Der Markt für Heinecke und seine Dunkelmänner und -frauen ist die ganze Welt. „Unser flexibles internationales Team hat keine nationalen Scheuklappen, deshalb verstehen wir die Märkte in China, Indien oder Argentinien problemlos“, erzählt Heinecke. „Wir überzeugen Menschen in ihren eigenen Filialen in Singapur, Seoul oder Bangkok Dunkelgeschäfte zu machen.“ Bisher mit gutem Erfolg: DSE-Ausstellungen und Workshops waren in den letzten 20 Jahren in 35 Ländern vertreten. Mehr als 7.000 Blinde oder Gehörlose fanden Arbeit und Anerkennung. Deshalb wurde Heinecke von Ashoka, größte internationale Non-Profit-Organisation zur Förderung von Social Entrepreneurship, als erster westeuropäischer Fellow aufgenommen. Ashoka schlug die Dialogue Social Enterprise GmbH für den Deutschen Gründerpreis vor. Darüber freut sich Heinecke, denn „unsere Währung ist Wahrnehmung. Wir brauchen immer wieder Anerkennung, um Menschen anregen zu können, unseren Weg mitzugehen.“

Die Firma
Dialogue Social Enterprise GmbH

Die Jury des Deutschen Gründerpreises zeichnet das Unternehmen mit dem Sonderpreis des Deutschen Gründerpreises 2011 aus, „weil der Gründer, Dr. Andreas Heinecke, ein persönliches Erlebnis zum Anlass nahm, eine Mission zu entwickeln: Er schafft Erlebniswelten, die es ermöglichen, Behinderung nicht als Behinderung wahrzunehmen, sondern als andere Lebensweise, die andere Fähigkeiten hervorbringt, die ohne Beeinträchtigung nicht aktiv sind. Er ging dabei einen ungewöhnlichen Weg und wählte für die Vermittlung seiner sozialen Idee einen unternehmerischen Ansatz: er bietet seine Ausstellungskonzepte im Rahmen eines Franchise-Modells an und sorgt durch Schulungen der Franchise-Partner für eine Sicherung der Qualität. Mit Hilfe starker Wirtschaftspartner, die sich der sozialen Idee pro bono verschrieben haben, hat er in wenigen Jahren ein weltweit aufgestelltes Unternehmen aufgebaut und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen geschaffen.“